Denk´lairs Blog of Air Discussions

In diesem Blog schreibe ich (Knut Denkler) immer mal wieder eigene Gedanken rund um die Fliegerei oder nehme Texte aus anderen Quellen auf. Dabei versuche ich einen Fokus auf Themen Flugsicherheit zu legen. Enjoy!



Halo Effekt

- April 2023 by Knut Denkler
Pilot am Steuer

Der Halo Effekt (Heiligenschein-Effekt) beschreibt eine Verzerrung in der Wahrnehmung einer anderen Person. Dabei schließt man von bekannten Eigenschaften einer Person auf eine eigentlich unbekannte Person.
In der Luftfahrt eine typisches Auftreten kann zum Beispiel sein, dass man einem Piloten, von dem man z.B. weiß, dass er bei einer Airline als Profi fliegt, automatisch annimmt, dass diese Person fliegerisch über jeden Zweifel erhaben ist.

Das Problem dabei: In seiner beruflichen Kapazität mag das stimmen. Das kontinuierliche Training im Sim inkl. entsprechender Bewertungen durch die Peers fördern und fordern sicher. Aber im Sichtflug (VFR) im Kleinflugzeug mag kann es da durchaus anders aussehen. Selbst wenn die Person den SEP(land) PIC in seiner Berufspilotenlizenz eingetragen hat. Es ist ja durchaus möglich, dass sich seine Erfahrung in diesem Bereich auf wenige Stunden stützt und diese Person sich im Cockpit einer C172 selbst unsicherer fühlt als in seinem luftigen 'Büro' mit Fensterplatz.


Aus dem Halo Effekt kann eine gefährliche entstehen, wenn man mit jemanden gemeinsam fliegt und man dem Halo-Effekt unterliegt. Was meist auch unbewusst passiert. Die andere Person mag mehr Erfahrung haben, ggf mehr oder höherwertige Lizenzen besitzen oder auch nur eine Persönlichkeit haben, welche Sicherheit und Fachwissen ausstrahlt.

Mögliche, gefährliche Szenarien gibt es viele: Man fliegt zB in Wetter ein, welches man alleine vermeiden würde, weil man annimmt, die andere Person würde schon was tun oder sagen wenn es 'wirklich' gefährlich wäre. Man lässt den anderen Manöver fliegen oder sich zu solchen überreden, die man alleine oder mit einer anderen Person so nie machen würde. Der Halo Effekt führt in diesem Setup zu einer erhöhten Risikobereitschaft. Was aber wenn diese Person den Halo gar nicht verdient. Oder was, wenn die Person schlicht einen schlechten Tag hat. Oder diese Person verlässt sich auf einen genauso wie man sich auf diese Person verlässt. Man merkt - das kann nicht gut sein!

Im Rahmen der Ausbildung von Luftfahrern tritt dieses Phenomen im Grunde standardmäßig auf. Jemand der als Fußgänger startet muss Vertrauen in seinen Fluglehrer haben. In der komplett neue Situation des Fliegens braucht der Flugschüler Halt und Vertrauen um die Anleitungen des Lehrers anzunehmen, sprich das Lernen zu ermöglichen. Ohne Vertrauen würde ja blanke Angst vorliegen.

Aber auch in der Kombination Lehrende/Lernende kann es ja durchaus sein, das der Lehrer einen schlechten Tag hat oder spontan einer risikoreichen Idee folgt ohne diese Risiken vorher durchdacht zu haben.

Ich bin Fluglehrer und ich habe schlechte Tage. Ich treffe auch mal schlechte Entscheidungen. Weder Profis, noch Lehrer, noch Piloten mit tausenden Stunden Erfahrung sind automatisch die Luftfahrtversion eines Marvel-Helden.

DA40 im Kornfeld

Wer mag, kann sich die entsprechenden Unfallberichte ansehen und sicher noch mehr Beispiele in den Datenbanken der weltweiten Unfalluntersucher finden:


Die Gemeinsamkeit dieser Unfälle ist: Die Unfälle fanden im Rahmen von Ausbildung/Prüfung statt. Und sie wären vermeidbar gewesen. Und die Schüler in diesen Szenarien hätten der Flugübung in dem gegebenen Setup 'am grünen Tisch' vielleicht gar nicht zugestimmt. Sich dennoch darauf eingelassen zu haben kann (unter anderem) damit zusammenhängen das man dem Lehrer/Prüfer schlicht 'vertraut' hat. Dann hat der Halo zugeschlagen.

In der Ausbildung gibt es dabei ein weiteres Dilemma: Wie weit lässt man als Lehrender den Schüler/in in eine Situation einfliegen bevor man eine Übung abbricht? Beispiel Motorausfall im Reiseflug: Lasse ich den Schüler bis auf wenige Meter über der ausgewählten Wiese fliegen bevor ich durchstarten lasse oder breche ich schon in 500ft AGL ab und nehme ihm damit den wertvollen Lerneffekt. Das Risiko ist klar: Wenn nun der Motor plötzlich kein Gas annimmt wird ein echter Notfall aus der Übung. Jeder Lehrer ist da ggf (aufgrund seiner Erfahrungen) anders unterwegs.
Deshalb ist es wichtig hier eine Absprache zu treffen. zB. Handelt es sich um eine geeignete, hindernisfreie Wiese, welche man sicher erreicht: Die Übung kann recht tief geflogen werden. Würde man am Ende (wenn keine Leistung vom Motor kommt) keine geeignete Landefläche mehr erreichen, sollte früher wieder durchgestartet werden.

Ich erinnere mich an eine Situation in der ich auf ein neues Muster eingewiesen wurde durch einen Profi mit viel mehr an Erfahrung und Ausbildung. Nach einer Landung auf einer recht langen Piste sagte er plötzlich: "Gas rein - das ist ein Touch and Go". Ich war völlig überrascht. Und ich konnte das Ende der Piste nicht sehen (aufgrund der Krümmung). Das fühlte sich schlecht an. Ich habe das Gas wieder raus genommen und abgebremst. Und? Was war dann? Jedenfalls nichts aufregendes. Wir sind zum Stop gekommen und konnten sprechen. Ich habe erklärt was mich bewegt hat. Der Einweisende sagte: "ok für mich, rollen wir halt zurück. Beim nächsten mal klären wir das vorher".

Wie geht man also mit dem Halo um? Zunächst sollte man sich diesem Phenomen mal klar sein. Denn dann fängt man im Grunde automatisch an Fragen zu stellen an die Person, an die Planung, etc. Was haben wir heute vor? Ist das noch sicher? Was sind die Risiken? Wie soll ich reagieren? Wenn man sich des Halos gegenüber eines Fluglehrer bewusst ist und dieser eine eine Entscheidung trifft, kann man diese hinterfragen. Man kann dann auch eine (risikoreiche) Übung auch abbrechen. Beispiel: Der Lehrer zieht in 400ft das Gas raus. Hat dieses Manöver aber vorher nicht gebrieft, es kam im Takeoffbriefing auch nicht uz Wort. Jetzt sind im Grunde beide im Cockpit unvorbereitet. An dieser Stelle kann man auch als Schüler das Gas reinschieben und sagen: "Sorry, aber das haben wir nicht gebrieft, da fühle ich mich unsicher." Das ist sicher eine harte Maßnahme, vor allem wenn man seinem FI im Grunde ja vertraut. Aber Lehrer wissen: Ich muss die Übungen briefen, auf Risiken hinweisen, und weder den Schüler noch mich selbst 'überraschen'.

Happy Landings!



Nur 1 Zeile überlesen

- März 2023 by Knut Denkler

Wir stehen am Start, ich habe die letzte Checkliste (Vor dem Start / Before Takeoff) abgearbeitet, jetzt geht es los! Ich schiebe das Gas rein. Kommentar von rechts: "Du hast den Transponder nicht an". Ok, einschalten und weiter im Takeoff. Nur ein kleiner Fehler. Kein Problem.

Wie so oft, wenn es um die eigenen Fehler geht, habe ich diesen kleinen Lapsus schnell vergessen. Aber etwas später stolpere ich über einen neuen Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung. Und der erinnerte mich wieder an den Lapsus. Was war passiert:

Kurzdarstellung

Logo Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Aktenzeichen: BFU21-0271-3X, Luftfahrzeug: Reims Aviation - Cessna F172 H, Ort: Kempten/Sulzberger See, veröffentlicht im: Mai 2022
Der Pilot startete mit der C172 und 3 Fluggästen zu einem privaten Rundflug. Der dritte an diesem Tag. Die kurze Pause zwischen dem 2. und 3. Flug diente nur dem schnellen Nachtanken. Nach den Startchecks (vermutlich per Checkliste) wurde der Startlauf eingeleitet.
"Zum Startlauf gab der Pilot an, dass er eine normale und gewohnte Geräuschkulisse wahrgenommen hat und die Beschleunigung für einen Start auf einer Graspiste ebenfalls gut war. Die Motordrehzahl habe zwischen 2300 und 2400 RPM gelegen. Bei etwa 55 kt habe er das Bugfahrwerk angehoben und bei etwa 65 kt habe das Flugzeug abgehoben. In Bodennähe habe er noch Fahrt aufgeholt." Danach stieg die Maschine nicht weiter. Der Pilot entschied sich zur Notwasserung im Sulzberger See. Personenschaden: Pilot leicht verletzt, 2 Fluggäste schwer verletzt, 1 Fluggast leicht verletzt


Was war passiert: Im Grunde das selbe wie mir am Anfang dieses Artikels. In der Annahme, dass der Pilot der gesetzlichen Forderung nach Nutzung einer Checkliste nachkam, hat er den einen Punkt in der Checkliste überlesen und/oder nicht durchgeführt

  • bei mir war es: Transponder auf ON/ALT,
  • im Bericht: Klappen wie erforderlich (also Startstellung)

Der Start erfolgte mit voll ausgefahrenen Klappen (30° laut BFU Bericht).

Flugzeugabsturz in See Mit dem durch die Klappen erzeugten Luftwiderstand, der gegebenen Lufttemperatur, der zur Verfügung stehenden Motorleistung und der fast erreichten höchstzulässige Startmasse hat die Cessna keine Chance den Bodeneffekt zu verlassen. Glück im Unglück: Bis zum See gab es wohl kein erhöhtes Hindernis. Allerdings wohl auch keine geeignete Notlandefläche.



§ 27 der Luftbetriebsordnung (LuftBO)

„Der Luftfahrzeugführer hat vor, bei und nach dem Flug sowie in Notfällen anhand von Klarlisten die Kontrollen vorzunehmen, die für den sicheren Betrieb des Luftfahrzeuges erforderlich sind.“

Sind Checklisten also doch Unsinn?

Wir sind Menschen, wir machen Fehler. Leider.
In diesem Fall war es wohl nur: Überlesen eines Punktes aus der Checkliste.
Bei mir war es der Transponder, dieser ist schnell eingeschaltet, die Auswirkungen dieses Lapsus sind nicht so dramatisch. Aber dennoch ist es ja beängstigend. Wenn ich diesen Punkt aus der Liste überlesen kann, dann kann mir etwas deutlich wichtigeres, wie die Landeklappen zu setzen, auch passieren.

Aber sollte so etwas nicht durch die Verwendung der Checklisten gerade eingedämmt werden? Ja klar! Würden wir sie gar nicht nutzen, würden Fehler noch häufiger auftreten. Daher wurden diese ja durch den Hersteller und auch per Gesetz vorgeschrieben. Aber dennoch sind "in alten Zeiten" ja nicht reihenweise Flugzeuge vom Himmel gefallen. Was übersehen wir?

Eine Checkliste sollte Dinge prüfen, die uns bereits in Fleisch und Blut übergegangen sind. Die Checkliste soll uns vor dem Lapsus retten, der durch Routine entsteht. Ich interpretiere das so: Ich sollte den Flieger auch ohne Checkliste immer in die richtige Konfiguration bringen können und diese dann nur mit der Checkliste noch mal nachprüfen. Dabei ist die Reihenfolge gar nicht so wichtig. Wichtig ist nur: ich muss beides tun! Selbständig machen, durch (hier positiv gemeinte) Routine und zusätzlich, zur Absicherung, durch eine Checkliste. So wird ein Schuh daraus.

Und noch ein Gedanke: Eine Checkliste ersetzt nicht das Handbuch. Wenn ich nur mit Hilfe einer Checkliste in der Lage bin das Lfz in die richtige Konfiguration zu bringen oder das Triebwerk anzulassen, dann habe ich meine Aufgabe als Pilot nicht wahrgenommen, nämlich mit dem Flugzeug 'wirklich' vertraut zu sein.

Meine Lösung für den Start Check: Ich führe diesen per Checkliste durch aber gehe anschließend noch mal in einem festen Ablauf/Flow (zB von rechts nach links) durch das Cockpit. Haptisch mit der Hand, welche mich leitet.

Fehler passieren dennoch und Stress/Eile sind ein Brandbeschleuniger, aber ggf erwischen wir so den einen "Big Point" mehr, als nur durch ablesen oder überlesen. Also: Transponder 7000/ALT und los!



Eine Tüte bitte!

- Feb 2023 by Knut Denkler
SpucktüteWenn ich selbst ein Flugzeug fliege, werde ich sehr selten "Luftkrank". Als Fluglehrer allerdings gebe ich oft und viel die unmittelbare Kontrolle über das Flugzeug ab. Übelkeit ist auch dann zum Glück selten ein Problem und hat dann meistens eher mit kräftiger Küche vor dem Flug zu tun. Aber wenn die Lernenden es darauf anlegen - nun dann ist ggf. auch Kritik berechtigt (siehe Foto mit Spucktüte).

Phygoid Am besten 'gelingt' den Schülern das Umfärben der Gesichtsfarbe des Lehrers durch, Vorsicht Fachbegriff, eine ausgeprägte Phygoide. Eine Phygoide ist eine Auf- und Abschwingung des Flugzeuges in Längsrichtung (Nase hoch - Nase runter - ...).


Am einfachsten ist dies natürlich zu erreichen, indem man abwechselnd am Steuerhorn zieht und drückt. Aber das ist zu einfach. Eine gute Alternative: Der Übergang vom Steig- in den Reiseflug.

Beobachtet Ist-Verfahren

Die Reiseflughöhe wird erreicht, das Gas und damit die Drehzahl wird zurückgenommen, es wird ‘versucht’ die Höhe zu halten. Was nun passiert ruft nach der Tüte:

  • Das Steuerhorn und ggf auch die Trimmung werden nach vorne bewegt um den Steigflug zu stoppen, aber die Fahrt ist noch nicht ausreichend um die Höhe zu halten, weshalb das Flugzeug in den Sinkflug geht
  • Nun wird am Höhenruder gezogen um die Höhe zu halten, die Drehzahl nimmt langsam zu, was bei unseren Ottomotoren in Kombination mit einem Festpropeller zu mehr Motorleistung führt, das Flugzeug beginnt zu steigen
  • Jetzt muss wieder nachgedrückt werden ggf. wieder in Kombination mit der Trimmung
  • Das Flugzeug gewinnt an Fahrt, aber sinkt wieder und die Motordrehzahl nimmt zu aufgrund der schnelleren Anströmung des Propellers
  • Es wird wieder gezogen aber auch die Drehzahl wieder verringert
  • und so weiter…
Wo ist die Spucktüte?

Viele Fluganfänger sind perfekt in der Lage, über einen längeren Zeitraum eine definierte Höhe zu halten, aber seltener direkt nach erreichen der Reiseflughöhe aus dem Steigflug. Der Grund ist einfach. Das gewählte Verfahren Leistungsreduktion bei Erreichen der Reiseflughöhe ist schlicht ungeeignet. Die Motorleistung (und auch die Drehzahl) ändert sich mit der sich langsam ändernden Geschwindigkeit, die Trimmung agiert als Tempomat (unsere Flugzeuge sind Geschwindigkeitsstabil um eine getrimmte Geschwindigkeit). Sprich mit der Trimmung eine Höhe zu halten, während sich die Geschwindigkeit und die Motorleistung ändern, ist schlicht eine Unmöglichkeit und entspricht der Strafarbeit eines Sisyphus.
Natürlich habe ich das selbst auch jahrelang so gemacht und ich denke bei mir kam das aus einem ‘Autofahrerverhalten’ - wenn ich den Gipfel erreiche, muss ich vom Gas gehen. Aber es gibt eine Lösung für uns:

Das bessere Soll-Verfahren

  • Nach dem Erreichen der vorgesehen Flughöhe wird die Steigleistung des Triebwerks beibehalten
  • Um die Höhe zu halten, muss das Höhenruder gedrückt werden und die Trimmung wird entsprechend nachgeführt (auf die neue Geschwindigkeit!)
  • Drücken und nachtrimmen wird durchgeführt bis die Reisegeschwindigkeit erreicht wird,
  • dann wird die Triebwerksleistung auf den Wert für den Reiseflug reduziert
Und siehe da: nach der Korrektur der Motorleistung ist die Trimmung bereits nachgeführt und das Flugzeug ist stabil in der neuen Höhe angekommen. Mit etwas Übung gelingt es innerhalb kürzester Zeit, hier reproduzierbar eine neue Höhe ‘festzunageln’. Vor allem, wenn man die neue Nicklage (pitch) für den Reiseflug schon im Kopf gespeichert hat.

Das Festnageln einer neuen Höhe ist definitiv ein schöneres Gefühl, als das Gefühl, welches ein Verlangen nach einer Tüte auslöst.



Nein! Nicht abspringen!

- Jan 2023 by Knut Denkler
Fallschirmspringer

Fallschirmspringer sind spezielle Luftsportler. Sie fliegen nicht gerne mit Flugzeugen, sie springen lieber aus ihnen raus. Jedenfalls sind diese Luftsportler immer sehr froh, wenn sie vor der Landung aussteigen dürfen. Ok, könnte auch an mir gelegen haben... In meiner Zeit als Absetzpilot beim schönen FSC Westerstede jedenfalls waren die Springer spürbar angespannt, wenn am Flugzeug z.B. ungewöhnliche Geräusche auftraten. Ich glaube die Springer wollten dann schnell zur Tür raus um mir damit wohl Ruhe zur Lösung des Problems zu geben. Nett! So auch einem schönen Herbsttag vor einigen Jahren. Im Steigflug in etwa 6000ft setzte ich die Vergaservorwärmung der Cessna 182 auf "Hot" und schon fing der Motor an "zu laufen wie ein Schwein klettert". Die großen Augen der Springer*innen und der einsetzende Fluchtinstinkt waren deutliches Zeichen von Unwohlsein. Mein Hinweis, dass das Wasser, welches nun um Vergaser schmolz, gleich weg ist beruhigte nur bedingt - was macht schon Wasser im Motor....

Hintergrund

Vergaservereisung gehört zu einer ganz gemeinen Kategorie von Problemen im Flug.
Erstens: Wenn es sich voll entwickelt hat ist es zu spät es wieder los zu werden (der Motor ist bereits zu sehr ausgekühlt um das Eis abzutauen, trotz gezogener Vorwärmung).
Zweitens ist es schwer die Vergaservereisung zu erkennen und wenn wir es rechtzeitig erkennen und die Vergaservorwärmung einschalten, wird der Motorlauf erstmal deutlich schlechter bevor es wieder besser wird. Das führte bereits bei manchen Piloten dazu die Vergaservorwärmung wieder aus zu schalten, was dann zum Motorstopp führte. Und damit zu einer vermeidbaren Außenladung mit den Risiken die mit einer Außenladung verbunden sind.
Drittens tendieren wir dazu, zu vergessen in welchem Temperaturbereich die Vergaservereisung auftritt. Im Winter sind wir alarmiert. Aber wer rechnet wirklich mit Verweisung bei 20° OAT (outside air temperature)? Dabei tritt gerade hier die Vereisung auf! Wir erinnern uns: Die Menge an Wasser, welche in Luft gespeichert werden kann hängt von der Lufttemperatur ab. Sehr kalte Luft kann nur sehr wenig Wasser speichern. Warme Luft mehr. Daher tritt unterhalb von -7°C kaum noch Vergaservereisung auf. Aber bei 15°C schon deutlich öfter.

Vergaservereisung Chart Das Bild "Carb Icing Chart" zeigt den Temperaturbereich in dem Vergaservereisung auftreten kann. Wir sehen auch, dass die Gefahr bei niedriger Leistung größer ist. Das ist auch der Grund, warum wir im Sinkflug, also bei geringer Motorleistung die Vergaservorwärmung als SOP (Standard Operating Procedure) immer auf "Warm" stellen.


Erkennung von Carb Icing

Eis im VergaserEin leichter Abfall der Drehzahl ist der wahrscheinlichste Hinweis auf das Einsetzen von Vergaservereisung, ein unrunder Motorlauf kann auch ein Hinweis sein. Dies geschieht dies langsam und ohne Gashebelbewegung.
Schon beim Start, wenn die volle Leistung nicht erreicht wird, kann dies ein Hinweis auf Vergaservereisung sein. Daher ist der Check der Motordrehzahl bei Vollgas zu Beginn des Startvorgangs so wichtig. Dazu muss man die normale maximale Drehzahl für jeden unserer Motoren kennen, um dies zu erkennen. Falls man schon vor dem Start Vergaserverweisung vermutet, kann man auch einfach vor dem aufrollen auf die Piste die Vergaservorwärmung einschalten. Wenn die Drehzahl dann abfällt sich aber nach kurzer Zeit selbstständig wieder erholt, lag bereits Vereisung im Vergaser vor.


Betriebshinweise zur Vermeidung von Vergaservereisung

  • Auch im Reiseflug immer mal wieder die Vergaservorwärmung ziehen und mindestens 1 Minute eingeschaltet lassen
  • Beim Run-up die Funktion der Vorwärmung prüfen, dabei darauf achten, ob die Drehzahl sich ggf. von selbst wieder "erholt"
  • Bei verringerter Motorleistung und/oder im Sinkflug die Vorwärmung immer auf "warm"
  • Sollte beim Einschalten der Vorwärmung der Motor plötzlich unrund laufen, Vorwärmung eingeschaltet lassen

Achtung bei Betrieb des Motors mit Autobenzin (MOGAS): Aufgrund seiner höheren Flüchtigkeit ist MOGAS anfälliger für die Bildung von Vergaservereisung. Bei bis zu 20°C höheren Außenlufttemperaturen als bei Flugbenzin (AVGAS) kann es bereits zur Eisbildung kommen.

Die Fallschirmspringer haben die Nerven jedenfalls behalten und konnten dann ein längere Freifall genießen, da sie dann doch bis zur Absetzhöhe an Bord geblieben sind. Und ich durfte wieder alleine die Höhe in einem intakten Flugzeug abbauen und landen. Warum noch mal sollte man da rausspringen wollen? - Keine Ahnung! ;-)



Was ist Airmanship?

- Jun 2020 by Knut Denkler

"Airmanship? Ich weiß zwar nicht was es ist, aber ich erkenne es wenn ich es sehe… "

So geht es vielen Piloten.

(Deutschsprachige Piloten haben es noch etwas schwerer, da sogar eine sinnvolle Übersetzung des Wortes Airmanship ins Deutsche fehlt. Manchmal wird es mit „Verhalten als Luftfahrer“ übersetzt was aber auch wenig erklärt und unserer Meinung nach auch zu kurz greift. Besser wäre es sich an die Übersetzung des Wortes Seamanship – seemännisches Geschick an zu lehnen. Das würde dann etwas wie "luftfahrerisches Geschick" ergeben… nun ja... man muss vielleicht auch nicht alles übersetzen…;-)

Was also ist „Airmanship“?

Innerhalb der Luftfahrt-Community, gibt es viele Definitionen und Konzepte zum Airmanship. Es ist schwierig aus der Literatur zum Thema Airmanship herauszufiltern ob es sich bei Airmanship um einen Prozess, eine Einstellung, eine Fähigkeit oder um ein Ergebnis vieler Faktoren handelt. Diese Faktoren können sein: Fähigkeiten, Urteilsvermögen, Situationsbewusstsein oder einfach nur die „richtige“ Einstellung.

Die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA) definiert in der EU-Verordnung 1178/2011 im Part-FCL.010:
„Verhalten als Luftfahrer (Airmanship)“ bezeichnet die kohärente Anwendung der Urteilskraft und gut entwickelter Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen, um Zielsetzungen im Rahmen eines Fluges zu erreichen.

Die bisher beste Definition gibt Lt Col Dr Anthony “Toni” Kern in seinem Buch „Redefining Airmanship“ (ISBN 0070342849 / 9780070342842) aus dem wir hier zitieren.

Definition des Begriffs „Airmanship“ (nach Kern, 1996)

"Airmanship ist die konsequente Nutzung von gutem Urteilsvermögen und gut entwickelten Fähigkeiten um fliegerische Ziele zu erreichen.

Die erforderliche Basis von gutem Airmanship besteht aus:

  • dem Grundpfeiler einer kompromisslosen Flugdiziplin
  • der systematischem Fähigkeitsentwicklung (lernen) und
  • des in Übung sein bzw. bleiben (proficiency).

Ein hoher Grad an Situationbewustsein (SA - Situational Awareness) komplettiert das Airmanship Model.

Dies wird erreicht durch umfassendes Wissen um einen selbst, das Luftfahrzeug, die Umwelt, dem Team und den Risiken.“

Zum Verständnis

Das Airmanship Modell kann man sich zum besseren Verständnis als ein Gebäude vorstellen. Dabei verkörpern die einzelnen Bausteine bestimmte Aspekte des Airmanship.

  • Disziplin ist dabei die Grundschicht/Basis für gutes Airmanship. Es ist die Fähigkeit und der Wille sicher zu Fliegen.
  • Darauf baut sich das Fundament aus Fähigkeiten (Skills) und in Übung sein (Proficency) auf. Beide beinhalten technische als auch nicht technische Aspekte.
  • Ein tiefes Wissen um die verschiedenen Themen (one’s self, aircraft, environment, team and risk) bilden die Säulen des Airmanship auf denen der Dachstuhl,
  • das Situationsbewusstsein (SA - Situational Awareness) liegt. Erst Wissen ermöglicht Situationsbewusstsein. Ebenso wie Urteilsvermögen ist SA eine Fähigkeit die man entwickeln muss.
  • Urteilsvermögen bildetet in diesem Bild das Dach – Alle Elemente von der Basis über die Fundamente, den Säulen und dem Dachstuhl unterstützen ein gutes Urteilsvermögen und die Entscheidungsfindung wie alle tragenden Elemente eines Gebäudes das Dach tragen.

Airmanship Model

Indikatoren

Es gibt mehrere Indikatoren gutes Airmanship.

In erster Linie zeichnet einen guten Piloten aus, dass er mögliche Gefahren durch Voraussicht und ständiges Aufrechterhaltung des Situationsbewusstseins antizipieren kann und er fundierte Pläne macht die diese Gefahren berücksichtigen.

Am leichtesten erkennt man gutes Airmanship, wenn es bei tatsächlich auftretenden Problemen von Piloten/Besatzungen gezeigt wird. Eine gute Flugbesatzung analysiert dann korrekt die dynamische Situation, wendet fundiertes Urteilsvermögen an und trifft problemlösende Entscheidungen. Dabei nutzt die Besatzung die verfügbaren Ressourcen und setzt die richtigen Prioritäten um ihre Ziele zu erreichen. Die Besatzung zeigt dabei Disziplin, gutes Teamwork, sowie die Fähigkeit mit allen geeigneten Stellen klar zu kommunizieren. Sie wendet dabei ein umfassendes Wissen und Know-how zu der aufgetretenen Situation an.

Kann man Airmanship erlernen?

Es ist zwar wahr, dass Airmanship eine persönliche Qualität ist und dass der Einzelne in seiner natürlichen Fähigkeit variiert aber generell können Piloten durch aufzeigen der Bausteine des Airmanship-Models geschult und motiviert werden. Dabei können die Airmanship-Fähigkeiten von Piloten mit einer Reihe von Kenntnissen und Methoden verbessert werden.

Allerdings ist das Führen von Flugzeugen mehr als das Anwenden von erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnissen. Es Bedarf auch der richtigen Einstellung und das Streben nach optimaler Performance zu jeder Zeit. Diese Einstellung und dieses Streben ermöglicht es Piloten die höchsten Level des Airmanship zu erreichen.

 

Quellen:
  • Spence/Ebbage RTO-MP-HFM-101: Paper 8: Airmanship Training For Modern Aircrew
  • Toni Kern - Redefining Airmanship (ISBN 0070342849 / 9780070342842)